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Der Bundesrat plant mit enormen Klimaschulden

Jüngste Berechnungen von Greenpeace Schweiz zum noch verbleibenden CO2-Budget bestätigen, dass die Klimastrategie der Schweiz nicht kompatibel ist mit dem 1.5°C-Limit. Laut KlimaSeniorinnen Schweiz nimmt der Bundesrat damit negative Auswirkungen auf Leben, Gesundheit, Eigentum und Wohlergehen der Bevölkerung in Kauf.

Noch ist die Welt weit davon entfernt, die globale Erhitzung auf 1.5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau einzudämmen. Selbst die vollständige Umsetzung der von den Ländern im Rahmen des Pariser Klimaabkommens bisher festgelegten nationalen Klimaschutzbeiträge (NDC) reichen nur aus, um den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf 2.9°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Wenn aber zusätzlich die an Bedingungen geknüpften nationalen Klimaschutzbeiträge vollständig umgesetzt werden, würde dieser Wert auf 2.5°C sinken. «Es braucht also grosse Anstrengungen von allen Ländern, um das 1.5°C-Limit tatsächlich in Reichweite zu halten. Die Klimaschutz-Anstrengungen weltweit müssten nahezu verdoppelt werden, um eine gefährliche Störung des Klimasystems der Erde zu vermeiden», warnt Georg Klingler, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace Schweiz.

Schweizer Bemühungen reichen nicht aus

«Der Bundesrat macht seine Klimapolitik auf Kosten der heutigen und kommenden Generationen. Und er nimmt wissentlich negative Auswirkungen auf Leben, Gesundheit, Eigentum und Wohlergehen der Bevölkerung in Kauf – verursacht durch Klimafolgen, die sich durch seine widerrechtliche Untätigkeit verschlimmern. Es ist daher gefährlich, dass die Landesregierung in ihrem Aktionsbericht an das Ministerkomitee des Europarats darlegt, dass sie keinen Anlass sieht, die Schweizer Klimapolitik aufgrund des KlimaSeniorinnen-Urteils anzupassen», kritisiert Greenpeace.

Schweiz verletzt die Menschenrechte

Das KlimaSeniorinnen-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR machte klar: Die Schweiz verletzt mit der heutigen Klimaschutz-Gesetzgebung die Menschenrechte, weil ihre Klimapolitik nicht kompatibel ist mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1.5°C zu begrenzen. Die Schweiz hat dem Ministerkomitee des Europarats Anfang Oktober 2024 ihren Aktionsbericht vorgelegt und darin unter dem Stichwort «CO2-Budget» auch die geplanten Emissionen erwähnt.

Schweiz hat ihren Anteil am globalen CO2-Budget bereits aufgebraucht

Die Einhaltung des noch verbleibenden globalen CO2-Budgets ist massgebend, damit die 1.5°C-Grenze nicht überschritten wird. Die jüngsten Berechnungen von Greenpeace Schweiz basierend auf neuesten Zahlen von ETH-Wissenschaftlern zeigen, dass die Schweiz mit ihrer derzeitigen Klimapolitik ihren Anteil am globalen CO2-Budget bereits aufgebraucht hat und CO2-Schulden macht oder aber ihr restliches Budget sehr rasch aufbrauchen wird. «Es ist daher unverständlich, wie der Bundesrat in seinem Aktionsbericht behaupten kann, die Schweiz würde die klimapolitischen Anforderungen des EGMR-Urteils bereits erfüllen. Das von der Schweiz präsentierte CO2-Budget sagt einzig, wie viele Emissionen die Schweiz sich mit ihrem aktuellen Kurs selbst zugesteht, und nicht, ob diese mit dem 1.5°C Limit kompatibel sind», so Klingler.

Die Schweiz rechtfertigt gegenüber dem Ministerkomitee ihre Bevorteilung auf Kosten von ärmeren Ländern mit dem Hinweis, es gebe keine allgemein anerkannte Methode zur Aufteilung des noch verfügbaren CO2-Budgets. «Das ist eine billige Ausrede. Eine solche Bevorteilung ist unfair und widerspricht den bisher ausgehandelten Klimaabkommen», sagt Klingler.

Was die neuen Berechnungen eines 1.5°C-kompatiblen CO2-Budgets zeigen

Selbst bei einer bloss 50%igen-Wahrscheinlichkeit, die 1.5°C-Grenze einzuhalten, und unter der Annahme, dass alle Länder – unabhängig von ihrem Entwicklungsstand und ihrer Wirtschaftskraft – entsprechend ihrer Bevölkerungsgrösse (also mit gleichen Pro-Kopf-Rechten) ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen, bleibt der Schweiz seit dem 1. Januar 2023 nur noch ein kleines CO2-Budget übrig. Dieses konservativ gerechnete Restbudget von max. 280 Mio. Tonnen CO2 wird durch das bis 2030 geltende CO2-Gesetz sowie das Klimaschutzgesetz bis 2032 vollständig aufgebraucht sein. Der Bundesrat plant nun mindestens doppelt so viele Emissionen. Die Folgekosten einer solchen Überschreitung des CO2-Budgets betragen rasch mehrere Dutzend Milliarden Schweizer Franken.

Wird das CO2-Budget nach dem gleichen Ansatz so aufgeteilt, dass eine 67%ige Wahrscheinlichkeit besteht, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, hat die Schweiz seit 2023 kein CO2-Budget mehr zur Verfügung.

Wird bei der Aufteilung des global noch verfügbaren CO2-Budgets zusätzlich die Wirtschaftskraft der Schweiz berücksichtigt, so wächst deren CO2-Schuld nochmals stark an, da schon 2017 oder gar 1993 das 1.5°C-Budget aufgebraucht war.

«Das Ministerkomitee des Europarates wird sehen, dass die Schweiz ohne Änderung der aktuellen Klimaschutzstrategie das Urteil nicht umsetzen kann», sagt Rosmarie Wydler-Wälti, Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen. «Dass die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat trotz der tragischen Klimafolgen die Klimakrise so verharmlost, macht mir Angst. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, sollten wir das Urteil zum Anlass nehmen, um vorwärtszumachen, innovativ zu sein und eine Klimapolitik zu entwickeln, die in die ganze Welt ausstrahlt.»

Greenpeace und der Verein KlimaSeniorinnen Schweiz wollen den Aktionsbericht der Schweiz im Einzelnen prüfen und gegenüber dem Ministerkomitee dazu Stellung nehmen.