Auf der Erde leben immer mehr Menschen. Doch die Ressourcen für Nahrungsmittel stagnieren. Die moderne Landwirtschaft ist gefordert; sie muss Produktivität und Effizienz markant und nachhaltig steigern. Digitalisierung und Big Data sollen helfen.
Die Weltbevölkerung steigt kontinuierlich an. Waren es 2020 noch rund 7,8 Milliarden Menschen, die die Erde bevölkerten, so soll diese Zahl gemäss einer Prognose der Vereinten Nationen (UN) bis zum Jahr 2050 auf etwa 9,7 Milliarden ansteigen. Für das Jahr 2100 rechnet die UN mit 10,9 Milliarden Menschen. Zum Vergleich: 1960 lebten 1,1 Milliarden Menschen auf der Erde. Sie alle müssen ernährt werden, was für die Landwirtschaft eine grosse Herausforderung ist.
Etwa jeder zehnte Mensch auf der Welt hungert
Mehr als 800 Millionen Menschen hungern; das sind nach Angaben der UN etwa 10% der Weltbevölkerung. Fast 3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einer gesunden Ernährung. Gleichzeitig verdirbt rund ein Drittel der produzierten Nahrungsmittel, und ein grosser Teil wird weggeworfen. Ausserdem ist die Lebensmittelproduktion für einen Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat deshalb anlässlich des UN-Ernährungsgipfels im September dieses Jahres den Aufbau neuer Ernährungssysteme gefordert, die auch im Einklang mit der Natur stünden. Die UN schätzt, dass die Nahrungsmittelproduktion bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts um 70% gesteigert werden müsse. Doch diese Herausforderung kann die Landwirtschaft nur meistern, wenn Produktivität und Effizienz markant und nachhaltig gesteigert werden. «Die Digitalisierung, der kluge Einsatz von Technik und die Analyse von Big Data könnten hier Schlüssel zum Erfolg sein», schreibt das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in einer Einführung zum neuen «European Food Trends Report 2021». Die vollständige Studie kann beim GDI käuflich erworben werden.
Präzisionslandwirtschaft heisst die neue Managementstrategie
Für die zukünftige Landwirtschaft gilt also, aus weniger Ressourcen mehr Nahrungsmittel bei gleichzeitiger Schonung der Umwelt zu produzieren. Tatsächlich hat die Landwirtschaft im Zuge der 4. industriellen Revolution und mit dem Internet der Dinge (IoT) bereits einen grossen Schritt in Richtung vollständiger Automatisierung gemacht, wobei Maschinen, Anlagen und Computer direkt miteinander kommunizieren und kooperieren. «Die Präzisionslandwirtschaft ist eine Managementstrategie, die Daten sammelt und analysiert, um so die Effizienz und Nachhaltigkeit zu verbessern. So werden die Unterschiede innerhalb und zwischen den Feldern konstant überwacht und analysiert, um dem Boden und den Pflanzen nur genau die Mengen an Wasser, Nährstoffen und Dünger hinzuzufügen, die lokal wirklich benötigt werden», führen die Autoren in der Studie aus.
Sensoren messen genauer als der Landwirt
Um zu bestimmen, welche Wassermenge im Hinblick auf die Wetterlage der nächsten sieben Tage angebracht ist, und wann der beste Erntezeitpunkt oder was die beste Fruchtfolge für den Boden ist, werden in der modernen Landwirtschaft vernetzte Sensoren, Drohnen und Computerchips eingesetzt. «Diese haben am Ende mehr Informationen als der Landwirt», so die Autoren. Dadurch sollten der Ertrag optimiert, die Ressourcen geschont und die ökologische Belastung durch Chemikalien reduziert werden.
Autonome Maschinen pflügen das Feld
Die Landwirtschaft 4.0 wird durch verschiedene neue Technologien ermöglicht, wie die Autoren weiter erklären: «Drohnen und Satelliten machen hochwertige Bilder der Anbaufläche, GPS und andere Geolokalisationssysteme können die Positionen der Maschinen und Sensoren auf dem Feld genau erfassen, Roboter und hochpräzise landwirtschaftliche Maschinen erledigen den grössten Teil der Arbeit, der Landwirt springt nur in Notfällen ein.» In Zukunft werden also immer mehr autonome Maschinen eingesetzt, um die Arbeiten auf dem Feld zu übernehmen. Und die Autoren fügen an: «Dabei kommunizieren die eingesetzten Geräte unablässig miteinander, und Smartphone-Applikationen ermöglichen die konstante Überwachung, Analyse und Auswertung der generierten Daten.»
Treibhausgase könnten reduziert werden
Die generierten Daten werden laut den Autoren an einen zentralen Computer gesendet, der die Informationen verarbeitet und die entsprechenden Aktionen an die Geräte zurückschickt. «So können Roboter die exakt benötigte Düngermenge ausbringen oder IoT-Geräte die perfekte Wassermenge direkt in den Boden einbringen. Selbst der Ausstoss von Treibhausgasen liesse sich optimieren», sagen die Autoren. Dank Smart Farming könnte es laut den Autoren gelingen, grosse Erträge zu generieren, ohne die Äcker dabei zu Arten-Wüsten zu machen und den Boden und die Gewässer langfristig zu ruinieren. Technologie-Optimisten gingen sogar so weit zu propagieren, dass man gleich ganz auf den Boden verzichten könne, führen sie an.
Drei Szenarien beschreiben die Zukunft des Ernährungssystems
Die Autoren des European Food Trends Report 2021 haben drei Szenarien entworfen, die beschreiben, wie die Zukunft des Ernährungssystems aussehen könnte: «Stubborn Optimism», indem sich im Kern nichts verändert, doch werden alle Stufen des Wertschöpfungsnetzwerks smarter, effizienter und produktiver. Mit der richtigen Technologie lassen sich danach alle Probleme lösen.
Möglich wäre auch ein System der «Radical Regeneration», bei dem die Deglobalisierung des Foodsystems im Zentrum steht. Ziel hier ist nicht die Ernährungssicherung, sondern die Ernährungssouveränität. Danach wird nur angebaut und produziert, was unter den gegebenen Bedingungen Sinn ergibt und den Bedürfnissen der regionalen Bevölkerung entspricht.
Am anderen Ende findet sich das System der «Hard Regulations»: Die Leitlinien für das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk werden von einer zentralen Kontrollstelle vorgegeben. Dies kann ein Staat, eine Organisation, ein privates Unternehmen oder eine künstliche Intelligenz sein, die das Foodsystem – und damit auch die Gesundheit der Bevölkerung – kontrolliert. Es fragt sich allerdings, wer bestimmt, wie eine mögliche Zukunft des Foodsystems aussehen könnte.