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Die grüne EU-Taxonomie bleibt in jedem Fall zahnlos

Erdgas und Kernenergie sollen in die EU-Taxonomie aufgenommen werden. Beobachter warnen davor, Kapital für den Ausbau solcher Energien nicht zu regulieren und fordern eine verpflichtende Klassifizierung von Finanzprodukten.

Die Europäische Kommission will Erdgas und Kernenergie in die EU-Taxonomie aufnehmen. Investitionen in diesen Bereichen könnten somit als «nachhaltige Anlagen» eingestuft werden. Ethos, die Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung, die mehr als 220 Pensionskassen und andere steuerbefreite Institutionen zusammenschliesst, zeigt sich darüber höchst besorgt. Denn diese Entscheidung läuft dem ursprünglichen Ziel der Taxonomie völlig zuwider. Die Taxonomie wurde 2020 eingeführt, damit Investitionen in wirtschaftliche Aktivitäten mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt gelenkt werden.

Positive Wirkung der Taxonomie wird ins Gegenteil verkehrt

Die Ethos Stiftung ist der Ansicht, dass die Aufnahme von Erdgas- und Kernkraftwerken in die EU-Taxonomie die angestrebte positive Wirkung der Taxonomie in ihr Gegenteil verkehrt. Es bestehe das Risiko, dass öffentliche Gelder, Beihilfen und private Investitionen fehlgeleitet würden, und dies zu Lasten des Ausbaus erneuerbarer Energien gehe: «Die angestrebte Energiewende wird dadurch verzögert und der Klimaschutz beeinträchtigt. Ausserdem wird der falsche Eindruck erweckt, dass eine Versorgung mit sauberer und kohlenstoffarmer Energie ohne Erdgas und Kernenergie nicht möglich ist».

Taxonomie ist freiwillig

Für die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation Attac, bzw. die ‘Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger’, die in 50 Ländern agiert, geht das Problem aber noch tiefer: «Die Taxonomie ist freiwillig und daher grundsätzlich zahnlos – nicht nur wegen des Greenwashings von Erdgas und Atomenergie», kritisiert Julia Litofcenko von Attac Österreich. Verpflichtend sei ihre Anwendung lediglich für staatliche Nachhaltigkeitslabels, etwa sogenannte Green Bonds. Finanzinstitute könnten die Klassifizierung beim Verkauf von Finanzprodukten also weiterhin ignorieren. «Auch die Entscheidung, ob Kapital in den Ausbau erneuerbarer oder fossile Energien fliesst, wird damit gar nicht reguliert. Und leider ist fossile Energie immer noch sehr lukrativ», fügt Litofcenko an.

Nachfrage nach Erdgas müsste bis 2050 um 55% sinken

Das sieht auch die Ethos Stiftung so: «Kernenergie und Erdgas können nicht als nachhaltig betrachtet werden. Kernenergie produziert hochradioaktive Abfälle und erfordert sehr teure Investitionen beim Neubau wie auch bei der Stilllegung von Kraftwerken. Vor allem aber entsteht bei grossen Unfällen ein erhebliches Risiko für die öffentliche Gesundheit. Deshalb kann die Kernenergie nicht als im Einklang mit dem in der EU-Taxonomie verankerten Grundsatz ‘Do no significant harm’ betrachtet werden. Erdgas ist ein nicht erneuerbarer fossiler Energieträger, der Treibhausgase erzeugt. Die Internationale Energieagentur wies kürzlich darauf hin, dass die Nachfrage nach Erdgas bis 2050 um 55% sinken muss, wenn man das Netto-Null-Ziel erreichen will. Im Hinblick auf dieses Ziel wäre es daher unlogisch, in Erdgas zu investieren.»

Grossteil der wirtschaftlichen Aktivitäten sind mit Klimazielen unvereinbar

Laut Attac ist ein grosser Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten, darunter etwa die Automobilindustrie und der Flugverkehr, mit den Pariser Klimazielen völlig unvereinbar und kann in der heutigen Form nicht fortgeführt werden. «Was dabei auf keinen Fall funktionieren wird, ist die Verantwortung dafür allein dem Markt zu überlassen», mahnt Teresa Gäckle von Attac Österreich. Und sie fährt fort: «Die öffentliche Hand muss klare Regeln und Verbote für klimaschädliche Aktivitäten und Investitionen erlassen und dringend notwendige Investitionen selbst finanzieren.» Im besten Fall könnte die Taxonomie ein Schritt auf dem Weg dorthin sein, wie sie meint.

Schmutzige Finanzprodukte sollen verpflichtend klassifiziert werden

Attac fordert eine flächendeckende und vor allem verpflichtende Klassifizierung schmutziger Finanzprodukte mit klaren Konsequenzen. So solle die Europäische Zentralbank (EZB) in ihren Anleihekaufprogrammen keinen Cent mehr in schmutzige Produkte investieren dürfen. Banken mit klimaschädlichen Geschäften sollten darüber hinaus schlechtere Konditionen bei der EZB erhalten; Quoten für die Kreditvergabe sollten an nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gebunden werden.

Schmutzige Unternehmen werden als Anlageobjekte ausgeschlossen

Die Ethos Stiftung will ihrerseits weiterhin diejenigen Unternehmen von ihren Investments ausschliessen, die mehr als 5% ihres Umsatzes in den Sektoren Kernenergie und Erdgas unkonventionellen Ursprungs erzielen, gemäss den acht Ethos-Prinzipien für nachhaltige Anlagen (https://www.ethosfund.ch/sites/default/files/2021-10/2021_Principes_Ethos_pour_ISR_DE_A5.pdf).