Viele Studierende wollen mit ihren Startups gesellschaftliche Probleme lösen. Dieser Idealismus ist für die Kommunikation mit potentiellen Investoren wichtig. Und der stärkere Fokus auf Nachhaltigkeitsaspekten trifft bei Investoren auf offene Ohren.
Die angespannte politische und wirtschaftliche Situation beeinträchtigt auch Startups. Dies geht aus einer aktuellen Ergänzung zum ‘Swiss Venture Capital Report 2022’ hervor. Die Investitionen in Firmengründungen dürften in der Schweiz erstmals seit zehn Jahren zurückgehen. Was dies für junge Unternehmen in verschiedenen Branchen bedeutet, ordnet Dietmar Grichnik, Professor für Entrepreneurship und Technologiemanagement an der Universität St.Gallen (HSG), in einem Interview Interview ein.
Technologiebasierte Startups haben es nun schwerer
Wie er darin ausführt, wird es für Gründerinnen und Gründer nun noch wichtiger, dass Startups ein Alleinstellungsmerkmal haben und dieses gut vermitteln können. Laut Grichnik kann das eine besonders innovative Lösung oder ein grosses Skalierungspotential im Geschäftsmodell sein. Technologiebasierte Startups, etwa aus den Bereichen Food und Biotech oder Blockchain, dürften es nun aber etwas schwerer haben, wie er meint. Ihre Produkte bräuchten beispielsweise wegen medizinischen und anderen Studien oft länger in der Entwicklung, und hätten darum längere Skalierungszyklen. Startups, bei denen digitale Lösungen im Vordergrund stünden, dürften es nach seiner Ansicht wiederum einfacher haben, denn diese seien schneller skalierbar. Er bezieht sich dabei auf Finanzprodukte, allgemein ICT-Entwicklungen oder auch digitale Tools im Gesundheitswesen.
Cleantech ist jetzt im Aufwind
Der vorhergesagte Rückgang der Investitionen sei gerade im Bereich Biotech auch eine Konsolidierung. Corona sei ein Schock gewesen, der in der Folge staatliche Investitionen etwa in Pharmastartups massiv gefördert habe. Im Aufwind sei nun dafür der Bereich Cleantech, in dem es um technologische Lösungen zur CO2-Reduktion und um nachhaltige Energieversorgung gehe.
Investoren folgen einem gewissen Herdentrieb
Aktualitäten haben einen starken Einfluss darauf, in welche Startups Risikokapital investiert wird, bestätigt Grichnik. Da gebe es durchaus einen gewissen Herdentrieb. Die Kapitalgeber würden schauen, was die Konkurrenz mache, und nachziehen. Der Umschwung hin zur Cleantech sei zudem stark von der aktuellen Energiekrise beeinflusst.
Die Finanzierung ist bei Unternehmensgründung ein Kernelement
In der Startup-Ausbildung ist die Finanzierung ein Kernelement, so dass künftige Gründerinnen und Gründer im Wettbewerb um Investorengelder besser bestehen könnten, fährt Grichnik fort. Denn in den ersten Phasen koste ein Startup vor allem Zeit statt Geld, der Startup Runway – die finanzielle Startbahn – sei aber von Beginn an ein Thema, und beschäftige die notorisch mittellosen Gründer permanent. Das Thema der Finanzierung sei aber vielschichtiger geworden.
Viele Gründer wollen mit ihren Geschäftsideen gesellschaftliche Probleme lösen
Viele Gründerinnen und Gründer wollten mit ihren Geschäftsideen gesellschaftliche Probleme lösen, und nicht in erster Linie Profit machen, weiss Grichnik. Das heisse, sie würden eine tiefe Überzeugung für ihre Idee mitbringen, hätten oft schon viel Arbeit investiert und darum auch eine ambitionierte Vision. Diese sei wichtig, um mit potentiellen Investoren klar zu kommunizieren. Und der stärkere Fokus der Gründerinnen und Gründer auf Nachhaltigkeitsaspekten treffe bei den Investoren auf offene Ohren: Diese würden im Sinne einer «sustainable due dilligence» immer stärker darauf schauen, ob und wie Nachhaltigkeit in ein Geschäftsmodell integriert sei.